B. Phnom Penh (2) – Pol Pot und die Roten Khmer

Pol Pot und die Roten Khmer sind schuld am Tod von weit über 1,5 Millionen Menschen. Hier ist kein fremdes Land gekommen, das einen Krieg begonnen und die Kambodschaner getötet hat, sondern es war eine Gruppe Kambodschaner, die dies ihrem eigenen Volk angetan hat.

Pol Pot und sein Gefolge – zum Großteil bestehend aus Bauern, Kindersoldaten und Jugendlichen – wollten sich einen neuen und reinen Staat aufbauen, einen reinen Bauernstaat. Somit wurden Akademiker, Studierte, Menschen, die lesen und schreiben konnten, systematisch gefangen genommen, zu Geständnissen gezwungen und hingerichtet. Es konnte schon reichen, eine Brille zu tragen, mit der man zu gebildet wirkte, so dass man hingerichtet wurde.

Insgesamt starben hier während der 1364 Tage von Pol Pots Herrschaft jeden Tag über 1400 Menschen. Das ist eine höhere Zahl als bei Hitler oder Stalin.

Zu Weihnachten 1978 marschierten die vietnamesischen Truppen in Kambodscha ein und hatten bis zum 7. Januar 1979 Pol Pot und sein Gefolge besiegt. Der Kommunistenführer führte aus dem Dschungel heraus weiter einen Guerilla-Krieg, nun gegen die Vietnamesen. Erst mit seinem Tod 1999 kapitulierten die letzten Roten Khmer.

Der 7. Januar wird in Kambodscha als Victory Day gefeiert und so konnten wir uns keinen passenderen Tag als den 7. Januar 2019 (40 Jahre Befreiung von den Roten Khmer) aussuchen, um uns diese schreckliche Geschichte näher zu betrachten.

(Quellen und zur Vertiefung der Thematik siehe Welt.de )

Dass wir gerade am Victory-Day im Tuol-Sleng-Genozid-Museum in Phnom Penh gelandet sind, war reiner Zufall – wir finden, dass wir in Deutschland zu wenig (oder gar nichts) über dieses Schicksal in der Schule erfahren haben und sind jetzt froh (sofern man dieses Adjektiv bei einer solchen Thematik verwenden kann), uns hier weitergebildet zu haben.

Tuol-Sleng-Genozid-Museum

Mit einem Audioguide bewaffnet machen wir uns auf den Weg in diesem Museum die gut 30 Stationen zu besuchen, an denen wir die Geschichte Kambodschas näher gebracht bekommen. Bevor die Gebäude während des Regimes der Roten Khmer als Gefängnis dienten, war hier eine Schule. Der Innenhof mit Jackfruit-, Mango- und anderen blühenden Bäumen strahlt etwas völlig anderes aus als das, was hinter diesen Mauern vor 40 Jahren geschehen ist. Es wirkt fast ein bisschen idyllisch in der sonst doch typisch hektischen und trubeligen Großstadt, als wir uns mit Kopfhörern auf eine schattige Bank setzen und der Einführung lauschen. Von Station zu Station steigt unsere Fassungslosigkeit über das, was hier 4 Jahre lang passiert ist. Besonders schlimm für uns zu sehen, sind die umfunktionierten Klassenzimmer, in denen teilweise noch Blutflecken zu sehen waren von den mehrfach täglich stattfindenden Vernehmungen unter schwerster Folter. Andere Klassenzimmer sind zu Gruppenzellen, wieder andere zu Einzelzellen umgebaut worden. Die Audio-Tour ist wirklich hervorragend gemacht und sehr kurzweilig. Emotional ist die Tour anstrengend genug und es gibt sehr viel zu verarbeiten und zu verkraften. Im dritten Gebäude finden sich Folterwerkzeuge und vor allem auch Fotografien der Häftlinge. Vann Nath ist einer von 14 Überlebenden dieses Gefängnisses. Sein malerisches Talent rettete ihm das Leben. Er wurde von den Roten Khmer für Selbstporträts und Skulpturen am Leben gelassen und etwas besser behandelt. Zur eigenen Verarbeitung malte er nach dem Ende dieses Schreckens Bilder vom Gefängnis und von den Hinrichtungen.

Die Hinrichtungen selbst zeigen deutlich, wie hier vorgegangen wurde: Es wurde nicht geschossen, um keinen Lärm zu machen, aber auch um Kugeln zu sparen. Nach außen hin – für den Rest der Bevölkerung, aber auch weltweit – wirkten die Roten Khmer wie die seriöse Kommunistenpartei, mit der sogar noch nach 1979 weltweit verhandelt wurde und die als Staatsoberhäupter angesehen und akzeptiert waren. Dass so schreckliche Dinge passieren und die Welt bekommt es nicht mit und dass es nach der Vertreibung der Roten Khmer nochmal fast 10 Jahre dauert, bis die ganze Sache für die Weltöffentlichkeit endlich publik wird, ist wirklich beängstigend und jagt uns einen Schauer über den Rücken. Die Hingerichteten wurden mit verbundenen Augen in Lastwägen abtransportiert – oft mit dem Versprechen, ein neues Zuhause zu bekommen. An einem der vielen Massengräber des Landes schließlich wurden sie, während Musik laut erschallte, erschlagen und in Gruben geworfen.

Eines dieser Massengräber schauten wir uns am darauffolgenden Tag an – die sogenannten Killing Fields (Choeung EK Genocidal Center).

Auch hier wird die Führung durch eine Audiotour unterstützt, die ebenfalls lohnenswert war. Die Gebäude von damals sind nicht mehr erhalten und dennoch kann man die Spuren dieses Grauens hier überall noch sehen und fühlen. Die Gruben, in welche die Leichen geworfen wurden, sind vom immer wieder kommenden Regen mittlerweile fast wieder eingeebnet. Dennoch spült genau dieser Regen bis heute immer wieder Kleidung, Knochen, Zähne und anderes an die Oberfläche. Kleidungsfetzen kann man überall entdecken und es schaudert einen. Ein „außerschulischer Lernort“ (Bezug zu unserem Studium), der seinen Zweck mehr als erfüllt.

Auch hier kann man im Schatten verweilen und sich Geschichten von Zeitzeugen oder nacherzählte Einzelschicksale anhören. Dadurch wird bewusst, dass dieses Schicksal hierzulande längst nicht verarbeitet ist und die Menschen bestimmt noch lange brauchen werden, um dieses Kapitel zu bewältigen. Die Geschichte wird – wie bei uns zum Nationalsozialismus – in den Schulen gelehrt.

Wirklich fassungslos lauschen wir gegen Ende den Klängen aus den Kopfhörern: Der Erzähler beschreibt, was die Hingerichteten vermutlich kurz vor ihrem Tode gehört haben. Es wurde Musik abgespielt und im Hintergrund hörte man laut das Dieselaggregat rattern. Im Kopfhörer rattert das Aggregat und eine Kambodianische Frauenstimme singt. Es ist verstörend und zum Heulen.

Die Parallelen zum Nationalsozialismus sind natürlich allgegenwärtig und es macht einem große Angst, dass so etwas wieder geschehen kann.

Unsere Weltreise zeigt uns immer mehr, dass wir im Anschluss daran zunächst einmal unser eigenes Land noch viel näher kennenlernen wollen: nicht nur Landschaften und uns bisher unbekannte Städte und Metropolen stehen auf unserer To-Do-Liste. Auch geschichtlich möchten wir uns vielleicht mal wieder in ein Konzentrationslager aufmachen – der Besuch mit der Schule ist erstens lange her und zweitens fehlte uns damals das nötige Bewusstsein und die Reife, das ganze Ausmaß überhaupt zu begreifen und emotional an einen heranlassen zu können.

Vielleicht kann unsere Deutschland-Reise ja auch ohne das eigene Auto stattfinden – ganz im Stile unserer jetzigen Reisegewohnheiten.

Was war sonst noch los in Phnom Penh?

  • Russian Market (der hat uns einfach nicht mehr losgelassen … )
  • Central Market
  • Frisörbesuch und Pediküre (beides natürlich nicht in einem schnieken „westlich geprägten Salon“ – die Pediküre gab’s direkt auf dem Russian Market zwischen Fisch, Obst und Gemüse)
  • Spaziergang an der Promenade
  • Shabu Shabu (All you can eat running buffet)
  • Unsere erste Schmiergeldzahlung in Kambodscha (zweite während der Reise). Dieses Mal stellten wir uns besser an. Der zweite Geldbeutel bewährt sich – und so konnten wir den Polizisten überzeugen, nicht mehr als 5$ und noch ein paar Cent in Riel dabeizuhaben. Das war ihm erstmal zu wenig, schließlich ließ er sich dann aber wegen unserer Hartnäckigkeit und unseren Entschuldigungen darauf ein. Wirklich falsch haben wir nichts gemacht, aber wir haben europäisches Aussehen und sind damit ein leicht gefundenes Fressen für die geldgierigen und korrupten Polizisten.
  • Bäckersmann und Gemüsefrau in unserem Viertel kannten uns zuletzt – was viel zur Entspannung die letzten Tage beigetragen hat und wir so in den Alltag in Phnom Penh kamen, was wir mal wieder gebraucht haben.

Gestern Abend brachten wir das Essen, das wir noch übrig hatten, zusammen mit Miris alter Wanderhose und einem aussortierten T-Shirt in eine Art Kleiderkammer bei uns um die Ecke, die sich um bedürftige Kinder und Erwachsene hier in Kambodscha kümmert. Bei diesen Aktionen müssen wir an unsere Kleiderschränke zu Hause denken und schämen uns manchmal für unseren Überfluss. Wo die Altkleider-Säcke zu Hause letztendlich landen, weiß ja keiner so genau. Zukünftig werden unsere vermutlich nach Uganda fliegen.

Jetzt sitzen wir mal wieder in einem kleinen 12 Sitzer-Bus und fliegen tief. Der Fahrer hat vor 3 Stunden bei einem Überholmanöver seinen linken Außenspiegel eingebüßt, was ihn nicht sonderlich gejuckt hat. In der hintersten Reihe hat natürlich mal wieder jemand die Tonnen von Chips wieder loswerden müssen, die sich die Reisenden hier immer reinstopfen – wir wissen schon, warum wir die Busfahrten mit Schonkost und wenig Wasser bestreiten und uns Beschäftigung für nebenher suchen.

Die nächsten 3 Tage werden wir in Battambang verbringen, bevor dann unser letzter Stopp hier in Kambodscha ansteht: Siem Reap.

Schönes Wochenende euch allen und viel Spaß beim Schneeschippen.

3 Gedanken zu „B. Phnom Penh (2) – Pol Pot und die Roten Khmer

  1. Ich kann eure Betroffenheit und Erschütterung über die grausamen Ereignisse in Kambodscha in den Siebziger Jahren sehr gut verstehen, ebenso euer Bedürfnis, darüber zu reden und euren Wunsch, dass man sich auch bei uns damit beschäftigen sollte. Ich war damals Junglehrer und bemühte mich mit anderen ähnlich denkenden Kolleginnen und Kollegen im Rahmen meiner Möglichkeiten, das Thema Nationalsozialismus im Unterricht zu behandeln. Es war eine Zeit, in der das überhaupt nicht selbstverständlich war. 1979 wurde im Deutschen Fernsehen der Film „Holocaust – die Geschichte der Familie Weiss“ – als Serie ausgestrahlt. Das löste heftige Diskussionen und Abwehrreaktionen aus. Der Begriff ‚Holocaust‘ fand erst durch diesen Film Eingang in die deutsche Sprache. Auf diesem Hintergrund kann man wahrscheinlich verstehen, dass diese Thematik die grauenhaften Ereignisse in Kambodscha in den Hintergrund drängten. zumal sie in den Medien in Deutschland noch keine große Rolle spielten. Mit dem Versuch, das zu ändern, hätte man sich dem – nachvollziehbaren – Vorwurf ausgesetzt, die eigene grauenhafte NS- Vergangenheit verdrängen zu wollen. Wenn man sich die aktuelle politische Entwicklung bei uns anschaut – ich denke vor allem an die AfD und deren Umfeld – , dann kommt man mMn um die Erkenntnis nicht herum, dass es nach wie vor dringend nötig ist, über die NS- Zeit aufzuklären und das Bewusstsein über den Holocaust wachzuhalten. Abgesehen davon ist es natürlich notwendig und sinnvoll, über die grausamen Ereignisse in Kambodscha auch bei uns zu informieren. Dazu habt ihr jetzt einen wichtigen Beitrag geleistet. Danke dafür!

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  2. Es ist schon so . . . . der Mensch ist und bleibt leider in allzu vielen Fällen einer der größten Irrtümer der Evolution. Glücklicherweise gibt es tolle Ausnahmen. Danke und nochmals danke für eure fantastischen (manchmal so traurigen und grausamen) Schilderungen und Berichte ! . . . . . . und natürlich für die vielen Fotos !
    Weiterhin alles Liebe + Gute,
    Lydia und Jurij

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