Weitere Tage in Masaka (11.-15. Oktober)

Donnerstag (11.10.)

Für Donnerstag hatten wir uns mit Rose verabredet. Sie ist die Frau von einem Lehrer hier aus dem Transitory Home und macht mobile Palliativhilfe – man könnte es auch als mobilen Hospizdienst bezeichnen. Rose und ihre Mitarbeiter arbeiten allein auf Spendenbasis und können abhängig von ihren Spenden die Menschen in und um Masaka besuchen und sie bei ihren Sorgen und Ängsten unterstützen. Viele dieser Patienten haben unheilbaren Krebs oder leiden an Aids.

Wir trafen uns um halb zehn mit ihr und fuhren in die Stadt, um einen neunjährigen Jungen zu besuchen. Als wir das erfuhren, wurde uns schon etwas mulmig, und dass wir danach mit den Tränen kämpfen mussten, war eigentlich schon fast absehbar. Der kleine Junge lag mit Schmerzen auf einem Sofa und konnte kaum sprechen, da ihm das Atmen schwer fiel. Er hatte einen riesigen Tumor in seinem Bauch und Rose meinte, dass er sicher bald sterben müsste. Sein sehnlichster Wunsch war es, dass wir Deutschen für ihn und mit ihm beten. Gar nicht so leicht, wenn einem der Kloß im Hals steckt und das Leid schwer zu ertragen ist. Wir entschieden uns für ein Lied und sangen für den kleinen Mann und konnten ihm somit ein kleines Lächeln ins Gesicht zaubern.

Für die nächsten Patienten wurde das Singen zum Ritual und wir waren dankbar, dass wir einige Taizelieder für sie singen konnten. Wir nahmen uns alle im Kreis an der Hand und sangen für die schwer kranken Menschen. Rose und auch ihre Mitarbeiterin gingen sehr liebevoll mit den Patienten um und achteten darauf, wie sie ihnen die verbleibende Zeit so schmerzlos wie möglich gestalten können.

Die Umstände, in denen die Menschen mit diesen schweren Krankheiten leben müssen, waren für uns fast unmenschlich. Fast alle Patienten lagen auf einer Matratze auf dem Boden, hatten kaum Essen und es war oft dreckig. Immer wieder waren wir wütend und enttäuscht, wie ungerecht unsere Welt ist und wie viel schwerer es diese Menschen in ihrem Leben haben. Umso erstaunlicher, dass alle Menschen hier in Uganda unglaublich gläubig sind und ihre Kraft aus dem Glauben schöpfen. Sie sind dankbar für Talente, die ihnen gegeben wurden, und hoffen auf ein besseres Leben durch den Glauben an Gott.

Ein Patient blieb uns ebenfalls sehr in Erinnerung: Vincent, ein 34 jähriger junger Mann, der an Aids leidet, und daraufhin weitere Erkrankungen bekommen hat. Er lebt mit seinem Vater in einem sehr kleinen Haus mitten im Dschungel. Wir parkten unser Auto an einem anderen Haus, das bereits sehr schwer mit dem Auto zu erreichen war, und liefen dann noch über einen Acker voller Kaffeebohnen und Bananenpalmen. Dort angekommen trafen wir ihn in guter Verfassung an, waren jedoch über seine Geschwülste an Hand und Fuß erschrocken. Sein Vater leidet auch an einer Krankheit und so haben die beiden kein Einkommen, um sich zu ernähren. Als wir das erfuhren, packten wir unser ganzes Vesper und alles, was wir noch Essbares im Rucksack hatten, für ihn ein und ließen es bei ihm.

Voller Eindrücke und Erlebnisse fuhren wir wieder zurück nach Masaka, wo wir noch kurz einen Abstecher in die Stadt machten, um für unsere Mädels im Transitory Home Bananen und Seife zu kaufen.

Es ist eine riesige Bereicherung für uns, wenn man mit Kleinigkeiten den Menschen hier eine so große Freude bereiten kann. Es ist toll, dass wir hierfür auch finanzielle Unterstützung von unseren Eltern bekommen haben (Danke auch an Usch für die spontane Spende). So ist unser Budget doch etwas größer und wir haben jeden Tag die Möglichkeit, den Menschen hier das Leben ein klein wenig zu verschönern oder zu erleichtern.

 

Wochenende (12. – 14. Oktober)

Von Freitag bis Sonntag genossen wir das Wochenende und die Zeit mit den Mädchen am Haus. Wir lernten von ihnen, wie man Samosa zubereitet und staunten nicht schlecht, wie viel Arbeit in den kleinen Teigtaschen steckt. Außerdem hackten wir im Garten hinterm Haus, als wir den Landwirtschaftsunterricht besuchten. Die Mädels waren erstaunt, wie wir anpackten und bis zum Ende durchhielten. Uns wird hier auch oft bewusst, wie viel wir von unseren beiden Elternhäusern mitbekommen haben und sind dafür äußerst dankbar.

Samstags hatten wir ein Treffen mit Passy, die uns zu einer Fundraising Aktion mitnahm. Wir wuschen Autos und putzten Schuhe, um Geld für ein Traumazentrum in Masaka zu sammeln. Hauptsächlich waren wir aber auch als Werbepersonen eingeladen und so wurden wir zusammen mit dem Bischof des Öfteren fotografiert.

Im Anschluss daran gingen wir nochmals in die Stadt und erledigten viele Kleinigkeiten, bevor wir abends für die Mädchen eine kleine Kinovorstellung vorbereiteten. Wir konnten einen Beamer ausleihen, machten Popcorn und schauten „The greatest Showman“ mit ihnen an. Erschöpft, aber sehr glücklich gingen wir ins Bett und freuten uns darauf, am Sonntag etwas auszuschlafen.


Am Sonntag gingen wir in den späteren Gottesdienst, der auf Englisch abgehalten wird. Joan und Joan, zwei Mädchen aus dem Transitory Home, begleiteten uns. Auf dem Rückweg brachten wir den Beamer bei Joans Onkel vorbei, der neben der Kirche wohnt und als Mathe- und Physik-Lehrer an der gegenüberliegenden Schule arbeitet. Wir wurden zu einem späten Frühstück mit Rührei und Tee eingeladen und hatten sehr nette Gespräche. Uns begeistert die Gastfreundschaft hier sehr und wir fühlten uns auch hier wieder sehr wohl.

Für den Abend stand nochmal gemeinsames Kochen mit den Mädels auf dem Plan und wir bereiteten Spaghetti mit Tomatensoße vor. In einer afrikanischen Küche dauert einfach alles deutlich länger und es wurden mehrere Feuerstellen für uns vorbereitet, damit wir Reis, Nudeln und Tomatensoße auf den Kochstellen zubereiten konnten.

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Helena und Luisa waren am Abend nach Entebbe gefahren, um Anna vom Flughafen abzuholen. Sie wohnt jetzt auch im Transitory Home und wird für 3 Monate in Masaka bleiben, um im Krankenhaus ein Praktikum für ihr Studium zu absolvieren.
Wir gingen müde und erschöpft schlafen und waren gespannt, was wir am nächsten Morgen im Krankenhaus erleben würden.

 

Montag (15.10.)

Um halb neun setzen wir uns am Montagmorgen auf ein Boda Boda und fuhren zum Kitovu Hospital. Die vier anderen Deutschen hatten sich dazu entschlossen eine Woche dort zu arbeiten und auch Anna wird ab Dienstag ihr Praktikum beginnen. Wir entschlossen uns, einen Tag im Krankenhaus mitzuarbeiten, und die anderen Tage für Schulen und Kindergärten offen zu lassen.
Wir wurden nach kurzer Wartezeit herzlich begrüßt und in Zweier-Gruppen eingeteilt. Für uns stand die Nutrition Station auf dem Programm – eine Station, in der unterernährte Babys aufgepäppelt werden. Anfänglich hatten wir etwas Berührungsängste und wussten nicht, wie sehr wir uns einbringen durften. Wir halfen beim Verladen der Lebensmittel für die nächsten Wochen und schleppten Säcke voll Maismehl, Bohnen und Zucker.

In Absprache mit Schwester Naomi konnten wir klären, dass es sehr erwünscht ist, sich um die Babys zu kümmern und ihnen Liebe zu schenken. Viele dieser süßen kleinen Babys haben keine Eltern oder Eltern, die sich nicht gut um sie kümmern können. Oft kommen Freunde oder Verwandte mit ihnen auf die Station, da sich die Eltern nicht trauen oder Geld verdienen müssen, um sich den Aufenthalt leisten zu können.

Schwester Naomi erklärte uns, dass es meist nicht an fehlenden Lebensmitteln liege, sondern am Verständnis der Eltern für Erziehung und Ernährung. Oft füttern sie die Kinder morgens, nehmen sie mit aufs Feld und geben ihnen erst wieder abends etwas zu essen.

Die Station ist auch und vielleicht sogar mehr dafür da, die Angehörigen darin zu schulen, was und wie viel die Babys essen müssen. Wir durften dabei sein, als die Frauen gemeinsam proteinreichen Brei kochten und durften beim Füttern helfen.
Da auf dieser Station nur die Babys Nahrung bekommen, entschlossen wir uns in unserer Mittagspause, in die Stadt zu fahren, um Lebensmittel für die Frauen zu kaufen. Sie freuten sich sehr über Matooke, Reis und Ananas. Auch Seife war (mal wieder) ein willkommenes Geschenk und zeigte uns einmal mehr, wie wenig die Menschen hier haben.

Wir genossen den Nachmittag mit den Kindern auf dem Arm und entschieden uns bald nochmal vorbeizufahren.

Für Hanna und Gabriel war der erste Tag im Krankenhaus leider nicht ganz so erfreulich. Sie verbrachten den Tag auf der Kinderstation und mussten hautnah miterleben, wie ein drei Monate altes Kind starb. Dieses Erlebnis lag ihnen den ganzen Tag im Magen und wir alle waren erschrocken, wie wenig Hilfsmittel vorhanden sind. Das Kind hätte wegen seines kranken Herzens nach Kampala ins Krankenhaus verlegt werden müssen, doch leider hatten die Eltern hierfür nicht das nötige Geld.

Wie ungerecht es doch ist, dass so viel im Leben davon abhängt, in welchem Land man als Kind geboren wird.

Auch was Helena und Luisa erlebten, ist aus deutscher Sicht undenkbar. Sie hatten schon vormittags einen Patienten mit offenem Bauch gesehen, der am Tag zuvor seinen Blinddarm entnommen bekommen hatte. Nachmittags wurde die Wunde mit örtlicher Betäubung in einem kleinen Zimmerchen genäht. Die beiden berichteten davon, dass der junge Mann trotz örtlicher Betäubung starke Schmerzen hatte, bei Bewusstsein war und die Nähte sehr grob und groß waren.

Auf dem Rückweg vom Krankenhaus trafen wir Cissy, eine Mitarbeiterin von Maddo (Caritas), die in vier Wochen ihre kleine Tochter zur Welt bringen wird. Sie hatte ihre letzte Untersuchung gehabt und musste den ganzen Tag auf den Arzt warten. Erst um 15 Uhr hatte er Zeit für sie und musste ihr mitteilen, dass ihre Tochter sich noch nicht gedreht hatte und für die Geburt in der falschen Position liegt. Sie muss nun in zwei Wochen nochmals kommen und hofft sehr, dass sich die Kleine noch dreht. Ein Kaiserschnitt hier in Kitovu scheint eine größere Operation zu sein (was wir durch den Bericht von Helena und Luisa zur Blinddarmnaht durchaus nachvollziehen können) und sie hat große Angst und Sorge. Wir hoffen sehr, dass sich ihr kleines Mädchen noch dreht und die Geburt dann „normal“ ablaufen kann. Eine Geburt in Kampala wird für sie sicherlich auch zu teuer sein. Sie leistet sich hier schon extra die Privatstation und hat darauf gespart, in einem Einzelzimmer liegen zu können und nicht mit 20 anderen Frauen in einem Zimmer. Wie dankbar können wir sein, in Deutschland jederzeit ins Krankenhaus gehen zu können und dort jegliche nötige Unterstützung zu bekommen, die wir brauchen.

Ihr seht, hier ist viel los und wir kommen kaum zum Durchschnaufen. Auch wenn wir mal keine festen Termine haben, gibt es genug zu tun. Matze wird teilweise als Hausmeister eingesetzt – heute ging’s in den Dachstuhl, um die undichten Stellen abzudichten und die Zimmerdecken vor Regen und vor dem Durchbruch zu schützen.

Morgen haben wir uns einen Tag freigeschaufelt, um unsere Wäsche zu waschen, ein bisschen unsere Reise weiterzuplanen und mit Teddy in der Stadt einen Kaffee zu trinken.

Wir genießen es hier sehr und fühlen uns unglaublich wohl. Vor dem Abschied im Transitory Home graut es uns schon etwas und wir versuchen die nächsten zwei Wochen in vollen Zügen zu genießen.

Schlaft gut und genießt das Leben, die Freiheit und den täglichen Luxus.
Wir freuen uns nach wie vor sehr, dass ihr unseren Blog so intensiv verfolgt und uns immer wieder tolle Rückmeldung gebt. Auch für uns ist das Schreiben eine Bereicherung und gibt uns die Möglichkeit, das Erlebte nochmal zu verarbeiten.

Passt auf euch auf und seid lieb zueinander 🙂 … ❤

5 Gedanken zu „Weitere Tage in Masaka (11.-15. Oktober)

  1. Ich liege gerade neben Nele im Bett und lese von euren neusten Erlebnissen. Und sie sind so berührend! Unvorstellbar, dass es Nele vielleicht nicht so gut gehen würde, wäre sie in einem anderen Land geboren. Schließlich lag sie auch falsch herum. Danke, dass ihr uns an euren Erfahrungen teilhaben lasst. Wir vergessen viel zu oft wie gut wir es haben. Eure Berichte regen zum Nachdenken an und holen einen auf den Boden der Tatsachen zurück, denn für uns sind die Privilegien, die wir genießen dürfen, viel zu selbstverständlich geworden.
    Ich drücke euch

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